Rentenpolitik im Zeichen frommer Wünsche
Meine Analyse der Resultate vom 7.3.2010 legt nahe, dass der Entscheid mit Blick aufs Portemonnaie gefällt wurde: Je weniger da drin ist, desto grösser die Neigung Nein zu sagen. Ob dieser intensive sozusagen gesamtschweizerische-kollektive Wunsch, dass der selbst geäufnete kleine Hort unangetastet bleibe und seinen Zins abwerfe, in Erfüllung geht? Man wird sehen. Irgendwie hat man den Eindruck, dass die naive Vorstellung, dass hier jeder, unabhängig von den andern, sein eigenes Eichhörnchen sei, noch immer weit verbreitet ist - man hat das BVG seinerzeit ja auch mit dem Argument verkauft, dass hier nicht wie bei der AHV umgelegt würde. Bloss ist Geld, dass man in dreissig Jahren bekommen soll, nie dasselbe.
Minarettinitiative und Wahlen in den Regierungsrat
Der unerwartete Erfolg der Minarettinitiative gab ja im In- und Ausland einiges zu reden diese Woche - meine Diskussion der Zürcher Resultate auf empirischer Basis findet sich hier. Das Interesse an den gleichzeitig stattfindenden Ersatzwahlen in den Zürcher Regierungsrat hielt sich, im Vergleich damit, sowohl in Intensität wie Reichweite in Grenzen. Zumal bei den Wählern der nicht direkt betroffenen Parteien.
Reaktionen und Berichte zur Analyse in Claude Longchamps blog "zoon politicon", auf Radio DRS (3.12.09),in der Limmattaler Zeitung (3.12.09), in NZZ print (zur Regierungsratswahl) und online (zur Minarettinitiaitve), TA-online( 3.12.09).Siehe auch dieInterpellation betreffend Verhältnis der Reformierten zum Islam und dem zukünftigen interreligiösen Handeln nach der Minarett-Abstimmung – Antwort des Kirchenrates.
Die Vox-Analyse korroboriert im übrigen den Befund meiner Deutung der Zürcher Resultate der Minarettabstimmung: links-rechts, bzw. wohl genauer konservativ vs. progressiv und der soziale Status, d.h. wesentlich auch die Bildung beeinflussten das Abstimmungsverhalten. Weniger erfolgreich war hingegen die Hypothese von den islamkritischen "linken Frauen" , die unmittelbar nach der Abstimmung da (Regula Stämpfli) und dort (Michael Herrmann) herumgeboten wurde. In der Hitze des medialen Gefechts wird bisweilen die Empirie der freien Rhapsodie auf der Basis anekdotischer Evidenz geopfert - die natürlich, weil unüblich, viel mehr hergibt. Schön ist auch, dass im Nachhinein niemand etwas davon gewusst haben will.
In der Thurgauer Zeitung (online?) vom 9.12.09 wurde ein ziemlich untergeordneter Aspekt des Ganzen unter dem Titel die "Die Muslime und das tumbe Schweizer Landvolk" noch einmal aufgekocht. (Besten Dank für die "fleissigen Statistiker"...). Der Bericht gibt die Resultate insofern richtig wieder, als die einfache Beziehung: "je weniger Muslime desto mehr Ja" wahrscheinlich hinterfragt werden muss. Ob der Zürcher Befund für die gesamte Schweiz gültig ist - und den Kanton Thurgau im Speziellen, der die anekdotische Evidenz im zweiten Teil des Artikels spenden darf - wäre hingegen zu überprüfen. Was nicht ganz einfach ist, denn die aktuellsten kleinräumig verfügbaren Zahlen zur Religionszugehörigkeit der Bevölkerung sind mittlerweile auch schon zehn Jahre alt. Ebenso klar ist aber auch, dass ländliche, rurale, gesellschaftlich traditionell orientierte Gebiete der Minarett-Initiative eher zugestimmt haben als urbane. Nur nebenbei: Was mich immer wieder erstaunt, ist die intensive Nutzung der Kommentarfunktion bei gewissen Artikeln der online-Tagespresse das Mitteilungsbedürfnis, dass da zum Ausdruck kommt, erzeugt ja sozusagen kostenlos demoskopisches Datenmaterial bereits elektronisch verfügbar fürs text-mining. Man sollte das mal erforschen!
Eine Punktlandung im Instrumentenflug
Die Hochrechnung zur kantonalzürcherischen Regierungsratsersatzwahl vom 29. 11. 2009 demonstriert mehrerlei: Vergangenheit und Zukunft hängen doch irgendwie miteinander zusammen. Es ist hier nicht abwegig, mit Dick Cheney von "known unknowns" zu sprechen - und sei es nur wenige Stunden im voraus. Weiss man nämlich, wie sich die Wähler in Zwerggemeinden wie Knonau, Truttikon, Berg am Irchel, Rifferswil etc. entschieden haben, so weiss man auch ziemlich genau, was der "Chreis Cheib" in Zürich von Ernst Stocker und Daniel Jositsch halten wird - obwohl die dort um zwölf noch längst nicht ausgezählt haben. Das Geheimnis heisst Methode.
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