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Zuletzt aktualisiert: Samstag, 19. Mai 2018 07:41
Ohne die Option einer beinahe unbegrenzten, im Vergleich zu früher fast kostenlosen Mobilität für jedermann, wäre eine moderne postindustrielle Gesellschaft wie die Unsrige undenkbar. Sie erweitert den Erfahrungshorizont des Individuums, sie erlaubt die räumliche Trennung der Lebensbereiche, von Arbeits- und Wohnort zumal - sie ist aber auch die conditio sine qua non unseres Siedlungsbreis. Meine Studie zum Zürcher Verkehrsverhalten "Öffentliche oder private Mobilität" analysiert Entwicklungen und aktuelle Strukturen des Mobilitätsverhaltens im Einzugsgebiet der Metropole Zürich auf der Grundlage des Mikrozensus Verkehr (wie bereits vor fünf Jahren einmal). Aufschlussreich sind die (Mehrzahl der) Leserkommentare zum Tages-Anzeiger Artikel dazu (6.12.2008): Denn in ihrer zumeist unreflektierten Anspruchshaltung bestätigen sie meine Vermutung (siehe das Fazit der Studie), dass eine wesentliche Verminderung des Mobilitätsvolumens, oder zumindest eine erhebliche Verlagerung auf den weniger ressourcenintensiven ÖV sehr unwahrscheinlich ist ohne einen kräftigen exogenen Schock, der die Kosten der fossilenergiegetriebenen Individualmobilität massiv und schmerzhaft erhöht. Gutes Zureden und schnellere Bahnen helfen da gar nichts. Wie jedes günstige Aktionsangebot wird auch dieses selbstverständlich genutzt: Aber eben weitgehend zusätzlich; nicht, wie man gehofft hat, alternativ.
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Zuletzt aktualisiert: Samstag, 19. Mai 2018 06:44
Was sich für Kanton Zürich zeigen lässt - gilt auch für die Schweiz insgesamt. Es waren die Agglomerationen, Sub- und Periurbien, die sich von der Personenfreizügigkeit vor allem abwandten. Und das ist auch dort, wo die Stimmen am Ende den Ausschlag geben. Ihren Heiligenschein sollten unsere Compatriotes wohl auch etwas niedriger hängen: Die Zustimmung sank in der Romandie nämlich sogar geringfügig stärker als in der Deutschschweiz. Und auch die "Schuld" unserer Bergler muss relativiert werden, und sei es bloss, weil es davon zu wenige gibt, als dass sie für ein Volksmehr je den Ausschlag geben könnten ...
Mehr zum Wo und Warum des Schwunds der Zustimmung zur Personenfreizügigkeit in meinem Arbeitspapier. Eine Kurzfassung davon habe ich in der NZZ vom 6.3. 2014 publiziert. Das Papier ist am 16.3.2014 ergänzt worden um einen Abschnitt zum engen und plausiblen Zusammenhang zwischen Bevölkerungswachstum und Akzeptanzverlust. Eine Präsentation des Arbeitspapiers zuhanden von economiesuisse (14.4.2014) fasst die wesentlichen Erkenntnisse zusammen.
Auch bei der Berner Zeitung ist man - mit etwelcher Verspätung - noch auf die Idee gekommen, sich des Themas anzunehmen (18.3.2014 "Umschwung in der Agglomeration"): Leider ist die absolute, stimmenzahlbezogene Betrachtungsweise, die als Mehrwert des Artikels gepriesen wird, Unsinn; und auch der Versuch in einer dazugehörigen Infografik Datenjournalismus zu betreiben, überzeugt wenig.
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Zuletzt aktualisiert: Samstag, 19. Mai 2018 06:45
Über das Resultat der Masseneinwanderungsinitiative und ganz besonders dessen regionale Verteilung wurde in den letzten Tagen viel und auch viel eilfertiges geredet. Hier sind meine Überlegungen dazu für den Kanton Zürich zu finden. Mein Schluss: es geschah in der Agglo. Dort, in Dübendorf, Dietikon, Effretikon, Kloten, Volketswil, Opfikon etc. ist die Zustimmung zur Personenfreizügigkeit in den vergangenen 14 Jahren evaporiert. Siehe dazu auch den Teaser in der Weltwoche vom 13.2. 2014 (Artikel nicht online) in der NZZ und im Tages-Anzeiger vom 15.2.2014. Im Tages-Anzeiger online (14.2.2014) schaltet die SDA in ihrer Meldung nicht nur den obligaten Verzerrungs- sondern auch noch den Halleffekt zu: Der Chor "der Statistiker" röhrt so vom "Donnerschlag" fast wie im Oratorium. Die Publikation hat auch noch weiter nachgehallt, wie ein Schlagabtausch zwischen Markus Somm in der BAZ vom 1.3.2014 und Daniel Binswanger im Tages-Anzeiger Magazin vom 4.3.2014 beweist.
Spass beiseite: Man sollte nie vergessen, dass die Dinge volksmehrmässig nicht an der Peripherie entschieden werden, auch wenn das die schnell produzierten obligaten Karten der Resultate nahelegen. Am vergangenen Sonntag gingen im Kanton Zürich ungefähr soviele Leute zur Urne, wie in den dreizehn kleinsten Ja-Kantonen zusammengenommen. Dübendorf entspricht Appenzell-Innerrhoden, Uster beinahe Uri oder Glarus.
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Zuletzt aktualisiert: Samstag, 19. Mai 2018 06:49
Die Entwicklung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Lebenslauf ist ein Thema, das mich schon lange beschäftigt. Denn die Interaktion des Individuums mit seiner Umwelt vollzieht sich in modernen Gesellschaften zu einem erheblichenTeil monetär vermittelt. Geld hat den Faustkeil als wesentliches Werkzeug abgelöst, Es ist, wie Simmel meinte, das Werkzeug in seiner Reinform. Wie der Faustkeil Energie konzentriert für die Veränderung der Umwelt verfügbar macht, erlauben uns auch unsere finanziellen Ressourcen die Einwirkung auf letztere - z.B. indem wir die Kassierin im Coop damit dazu bringen können, uns ein Yoghurt zur freien Verfügung zu stellen, um damit unseren Metabolismus einige Minuten aufrechtzuerhalten. So wie wir uns vor Äonen zum selben Zweck mit dem Faustkeil ein Stück Fleisch aus der Mammutlende geschnitten haben. Unter diesem Aspekt sind die monetären Besitzrechte, so wie jedes Werkzeug, eine Verlängerung und Erweiterung unseres Körpers, eine Art virtueller Leib, dessen Potenz den Raum unserer zukünftigen Handlungsmöglichkeiten wesentlich determiniert.
Den prosaischen Abdruck dieser Leiber bildet die Steuerstatistik, denn der Staat will sich davon ja auch noch ein Stück - progressiv proportional zur Gesamtgrösse - abschneiden. Meine neue Studie zur Einkommensmobilität (statistik.info 8/2013) befasst sich mit der Entwicklung der Flussgrösse in diesem Kontext. Und dies, das ist im Vergleich zu meinen früheren Arbeiten neu, nicht mehr bloss auf Aggregats- sondern auf individueller bzw. Haushaltsebene. Der Blickwinkel ist dabei vor allem ein relativer, es interessiert, wie sich die Einkommen vergleichsweise entwickelt haben, und welche Schlüsse man daraus für die Qualität des sozialen Gefüges ziehen kann: Wie flüssig, wie durchlässig ist die Gesellschaft? (nicht sehr aber doch ziemlich). Sind die Topverdiener immer dieselben? (Nein, aber zum Teil eben doch). Was braucht, es um dauerhaft ein solcher zu bleiben? (ein gewisses Alter und erheblich Vermögen hilft):
Ein ausführlicher Blogbeitrag des Think-Tanks Avenir Suisse beleuchtet die wesentlichen Resultate der Studie aus liberaler Perspektive; Dessen Direktor, Gerhard Schwarz, bietet in der NZZ vom 30.11.2013 in der Rubrik "Wirtschaftspolitische Grafik" noch einen Nachschlag, der auch bei avenir suisse (2.12.2013) zu finden ist. Siehe dazu auch den Artikel in der NZZ vom 17.10.2013. Einige Resultate wurden an den Schweizer Statistiktagen im Oktober 2013 in Basel präsentiert (auf englisch).
Ausgiebig schöpfen auch zwei Berichte des Bundesrats zu relevanten Themen aus meiner Studie: der Bericht des Bundesrats zur Verteilung des Wohlstands in der Schweiz vom 27. 8. 2014 und derjenige zum Dauerthema "Erodiert die Mittelschicht?" vom 13.5.2015. Einlässlich referiert werden die Resultate auch in einer Studie des Büro Bass zuhanden der St. Galler SP, Grünen und Gewerkschaften und in jener der UBS zur "Verteilung von Einkommen und Vermögen in der Schweiz" (2017). Die Publikation des Verteilungsmonitors von BAK Basel und WWZ (4.8.2015), bringt - zumindest für die NZZ: siehe den Artikel "Wohlstandsinsel Schweiz" vom 5.8.2015 - auch die Einkommensmobilität, und meine Studie dazu wieder aufs Radar.
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Zuletzt aktualisiert: Samstag, 19. Mai 2018 06:50
Mobilisierungseffekte würden bei Abstimmungen oft interessieren; Evidenz dafür lässt sich aber - zumindest mit Aggregatsdaten - nur selten beibringen; eine Ausnahme war beispielsweise die Minarettinitiative von 2009. Doch bei den beiden Initiativen, der eidgenössischen "Aufhebung der Wehrpflicht" und der kantonalen für "Mehr Demokratie" gibt es nun doch Hinweise darauf, wie meine Analyse der Resultate aufzeigt: Die Armee bringt zwar nicht mehr 71 Prozent der Stimmbürgerschaft an die Urne, wie 1989, aber, wie es scheint, doch etwa acht zusätzliche (um soviel lag die Stimmbeteiligung über dem langjährigen Mittel), die wahrscheinlich eher nationalkonservativ waren, und so das Resultat etwas nach unten drückten.
Das - so meine Hypothese - hat auch der kantonale Vorlage geschadet, die für sich genommen wohl nicht allzuviele hinter dem Ofen hervorgelockt hätte, aber dieselben Gegner hatte - die übrigens, um den Bogen zu schlagen, auch die Befürworter der Minarettinitiative waren. Es ist plausibel, dass das aus soziodemographischen Gründen wohl eher stimmabstinente konservative Potential sich am ehesten zusätzlich mobilisieren lässt durch Vorlagen, die seinen Nerv treffen.
Interessant sind auch die Verschiebungen in der regionalen Geometrie der Haltung zur Armee: Ein Zürich(-Winterhur) vs. Restkanton-Graben hat sich da in vergangenen Vierteljahrhundert zusehends geöffnet. Die relativ gesehen zunehmende Akzeptanz der Armee in den bevölkerungsstarken Agglogemeinden im Glatt- Limmat- und Aatal, kann durch den Aufstieg der SVP zwar erklärt werden. Die Radikalisierung der Städte in die andere Richtung muss aber einen anderen Grund haben - denn auch dort hat der SVP-Wähleranteil beträchtlich zu- und nicht abgenommen.
Damit nicht genug: interessant war auch das Zürcher Oberland und seine sonderbare flächendeckende Ablehnung des Epidemiengesetzes, die sich kaum anders denn als Rückstände der schwärmerisch-freikirchlichen Tradition dieses kantonalen Berggebietes erklären lassen.