Neben den klanglos zum Orkus hinabgestiegenen Bundesvorlagen zur eventuellen Cervelat- und Krankenkassenverbilligung, sollte am Septembertermin, um das Nirwana zu komplettieren im Kanton Zürich auch das Wohnen noch billiger werden. Die Resultate dieser Vorlage habe ich genauer untersucht (siehe auch der Artikel in der NZZ dazu vom 4.10.2014). Die Haltungen in dieser Frage stehen in einem vielfältigen ideologischen wie sozialen Spannungsfeld: Bürgerlich gegen links, urbane Mieter gegen ländliche Eigentümer, ganz ein bisschen sogar arm gegen reich. Insgesamt gleichen sich die widerstrebenden Kräfte aus. Die Resultante befindet sich dann etwa in der Mitte - leicht darüber wie diesmal, geringfügig darunter, wie etliche Male in der Vergangenheit.
Meine Überlegungen zu drei der sechs Abstimmungen vom 18.5. 2014 finden sich hier. Ein Beitrag des Regionaljournals Zürich-Schaffhausen (zur kantonalen Kirchensteuerabschaffungsinitiative) vom 20.5.2014 und ein Artikel im Tages-Anzeiger vom 24.5.2014 nehmen darauf Bezug. Übrigens: Aus den geringfügigen Veränderungen der relativen Haltungen zur Armee in den Zürcher Bezirken zwischen der Abstimmung vom vergangenen Herbst (Abschaffung der Wehrpflicht) und jetzt schloss ich, vielleicht etwas gewagt, dass das Gripen-Nein wohl kein Indiz für einen "bröckelnden Wehrwillen" sei, wie der NZZ-Haudegen, René Zeller, bereits an besagtem Sonntagabend orakelte. Die aktuelle Befragung des CSS an der ETH, "Sicherheit 2014" scheint meine Einschätzung zu bestätigen. Ebenso wie übrigens auch die VOX-Analyse zum Urnengang vom 18. 5. (NZZ vom 23.7.2014).
Was sich für Kanton Zürich zeigen lässt - gilt auch für die Schweiz insgesamt. Es waren die Agglomerationen, Sub- und Periurbien, die sich von der Personenfreizügigkeit vor allem abwandten. Und das ist auch dort, wo die Stimmen am Ende den Ausschlag geben. Ihren Heiligenschein sollten unsere Compatriotes wohl auch etwas niedriger hängen: Die Zustimmung sank in der Romandie nämlich sogar geringfügig stärker als in der Deutschschweiz. Und auch die "Schuld" unserer Bergler muss relativiert werden, und sei es bloss, weil es davon zu wenige gibt, als dass sie für ein Volksmehr je den Ausschlag geben könnten ...
Mehr zum Wo und Warum des Schwunds der Zustimmung zur Personenfreizügigkeit in meinem Arbeitspapier. Eine Kurzfassung davon habe ich in der NZZ vom 6.3. 2014 publiziert. Das Papier ist am 16.3.2014 ergänzt worden um einen Abschnitt zum engen und plausiblen Zusammenhang zwischen Bevölkerungswachstum und Akzeptanzverlust. Eine Präsentation des Arbeitspapiers zuhanden von economiesuisse (14.4.2014) fasst die wesentlichen Erkenntnisse zusammen.
Auch bei der Berner Zeitung ist man - mit etwelcher Verspätung - noch auf die Idee gekommen, sich des Themas anzunehmen (18.3.2014 "Umschwung in der Agglomeration"): Leider ist die absolute, stimmenzahlbezogene Betrachtungsweise, die als Mehrwert des Artikels gepriesen wird, Unsinn; und auch der Versuch in einer dazugehörigen Infografik Datenjournalismus zu betreiben, überzeugt wenig.
Über das Resultat der Masseneinwanderungsinitiative und ganz besonders dessen regionale Verteilung wurde in den letzten Tagen viel und auch viel eilfertiges geredet. Hier sind meine Überlegungen dazu für den Kanton Zürich zu finden. Mein Schluss: es geschah in der Agglo. Dort, in Dübendorf, Dietikon, Effretikon, Kloten, Volketswil, Opfikon etc. ist die Zustimmung zur Personenfreizügigkeit in den vergangenen 14 Jahren evaporiert. Siehe dazu auch den Teaser in der Weltwoche vom 13.2. 2014 (Artikel nicht online) in der NZZ und im Tages-Anzeiger vom 15.2.2014. Im Tages-Anzeiger online (14.2.2014) schaltet die SDA in ihrer Meldung nicht nur den obligaten Verzerrungs- sondern auch noch den Halleffekt zu: Der Chor "der Statistiker" röhrt so vom "Donnerschlag" fast wie im Oratorium. Die Publikation hat auch noch weiter nachgehallt, wie ein Schlagabtausch zwischen Markus Somm in der BAZ vom 1.3.2014 und Daniel Binswanger im Tages-Anzeiger Magazin vom 4.3.2014 beweist.
Spass beiseite: Man sollte nie vergessen, dass die Dinge volksmehrmässig nicht an der Peripherie entschieden werden, auch wenn das die schnell produzierten obligaten Karten der Resultate nahelegen. Am vergangenen Sonntag gingen im Kanton Zürich ungefähr soviele Leute zur Urne, wie in den dreizehn kleinsten Ja-Kantonen zusammengenommen. Dübendorf entspricht Appenzell-Innerrhoden, Uster beinahe Uri oder Glarus.
Das eigentlich überraschende am eidgenössischen Novembertermin waren nicht die Resultate (hier für den Kanton Zürich analysiert) - wenn 1:12, Hype hin oder her, auch nur im entferntesten mehrheitsfähig gewesen wäre, hätte mich das doch sehr gewundert. Gleiches gilt für die Familieninitiative. Nein, überraschend war vor allem die hohe Stimmbeteiligung. 55% ist ziemlich viel für einen Sonntag, an dem es weder um die EU noch die UNO, auch nicht um Ausländer, und nicht einmal um die Armee ging - jene Themen, die in den vergangenen dreissig Jahren in ähnlichem oder höherem Ausmass mobilisierten. Was, bzw. ob das was bedeutet - für die Zukunft natürlich!- ist mir noch nicht ganz klar. Spannend ist es jedenfalls, denn im nächsten Jahr geht es gleich weiter.