Die Sympathien der Parteiwähler - eine Langfristbetrachtung
Die Besonderheit, oder wenn man so will, das Alleinstellungsmerkmal der Panaschierdaten besteht letztlich darin, dass sie als Nebenprodukt der Resultatermittlung auf den tatsächlichen Wahlentscheidungen beruhen – und nicht auf Auskünften darüber wie Befragungsdaten, die zudem das Phänomen der geteilten Parteiloyalitäten der Wählerindividuen meist nur näherungsweise erfassen können. Weil die Panaschierstatistik zudem seit jeher produziert wird , sind auch Aussagen möglich über die langfristige Entwicklung der relativen ideologischen Positionierung der Parteiwählerschaften im Lichte ihrer Entscheidungen für Kandidaturen aus dem übrigen politischen Spektrum. Meine Analyse der Panaschierstatistik der Zürcher Nationalratswahlen seit 1999 versucht, diese Quelle kritisch zu zu nutzen. In dieser Optik manifestiert sich ein Zürcher Parteiensystem dessen grundsätzliche ideologische Geometrie im Verlauf der letzten zwanzig Jahre eigentlich erstaunlich stabil geblieben ist.
Die wesentliche Entwicklung war die Etablierung der glp als neue starke Partei in der Mitte neben den traditionellen konfessionell geprägten Kleinparteien CVP und EVP. Die grün-liberale Partei vereint – programmatisch bereits in ihrem Namen – in ihrem ideologischen Angebot Elemente von links mit solchen vom gemässigt-rechten Segment bis und mit der FDP. Die Kandidaturen der glp sind damit für die Wählerschaften dieser Parteien attraktiv geworden – und haben so gleichsam Stimmen auf sich gezogen, die früher noch an Kandidaturen des gegenüberliegenden Pols gingen. So zeigt nicht nur der Wahlerfolg der glp, dass hier in einem gewissen Sinne eine Leerstelle vorhanden war, sondern auch das Panaschierverhalten der Wählerschaften des übrigen Parteienspektrums.
Majorzwahlentscheidung ans Licht gebracht
Welche Kandidaturen in einer Regierungsratswahl wieviele Stimmen erhalten haben, ist selbstverständlich bekannt. Doch welche individuellen Wahlentscheidungen dieses aggregierte Resultat erzeugen, habe ich für die Zürcher Gesamterneuerungswahlen vom Frühjahr 2019 erstmals mit unzweifelhaft zuverlässigem, weil aus dem offiziellen Resultatermittlungssystem stammendem Datenmaterial untersucht. Über die konkreten, sozusagen politisch unmittelbar verwertbaren Resultate meiner Analyse wurde von der NZZ und von watson ausführlich berichtet.
Doch eine der Haupterkenntnisse der Analyse besteht darin, dass die politisch breite Zusammensetzung der Regierung nicht einfach ein Aggregationsphänomen ist, sondern von vielen Wählern bereits vorweggenommen wird: Rund 39% von ihnen entscheiden sich für Kandidaturen aus allen drei grossen politischen Lagern (links, Mitte, rechts) – und weil sie den Wahlzettel fast vollständig ausfüllen, kommt sogar mehr als die Hälfte der Stimmen von dieser Wählergruppe. Umgekehrt ist block-voting von geringer Bedeutung: nur 11% wählen Kandidaturen ausschliesslich einer Partei und nur 26% beschränken sich auf Kandidaturen aus einem der Lager - mutmasslich, auch wenn sich das mit den Daten wegen des Stimmgeheimnisses nicht direkt zeigen lässt, jeweils der bzw. des eigenen.
Ein Parlament im Wandel - oder auch nicht
Anlässlich der Jubelfeier zum 100-jährigen Bestehen des Proporzwahlsystems für den Zürcher Kantonsrat, habe ich einige langfristige Aspekte der Ratsdemographie aufgearbeitet. Einerseits etwas ausführlicher in Form einer Präsentation am Anlass selbst, andererseits in einem kurzen Beitrag für die online Plattform deFacto, die Erkenntnisse der schweizerischen Politologenzunft für ein breites Publikum aufbereitet.
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