Wahrscheinlich wird der 28. Februar 2016 in ferner Zukunft vor allem wegen der finanziellen und son­stigen Spätfolgen eines fünften langen Lochs durch den Gotthard (nie, read my lips, werden davon mehr als vier befahren werden!) noch in Erinnerung bleiben. Gegenwärtig ist es aber vor allem die Niederlage der SVP mit der Durchsetzungs- zur Ausschaffungsinitiative und die - für schwei­zerische Verhältnisse und die jüngere Vergangenheit – stellare Beteiligung von rund zwei Dritteln des berechtigten Elektorats. Beides hängt zusammen, denn es ist zu vermuten, dass letztere der Initiative zu verdanken und das Resultat eine Folge der Mobilisierung war.

Für den Kanton Zürich habe ich mir das räumliche Beteiligungsmuster genauer angeschaut (siehe auch den Artikel dazu in der NZZ vom 4.4.2016).  Und das Resultat ist eigentlich erstaunlich – Oder vielmehr das Nicht-Resultat: Zwischen der Mobilisierung und dem Resultat besteht kein tragfähiger Zusammenhang. Weder wenn man als Basis die Zunahme verglichen mit der langfristigen kom­mun­alen Grund­be­teiligung nimmt (+18 Prozentpunkte), noch wenn man präziser die Be­tei­li­gungs­zu­nahme zur Ausschaffungsinitiative (immerhin noch +10 Prozentpunkte), mit der Differenz der Resultate in Beziehung setzt: so oder so – nichts und wieder nichts.

Erwartet hätte man ein Muster wie es sich exemplarisch bei der ECOPOP-Initiative (November 2014) manifestierte: Stärkere Ablehnung dort, wo die Mobilisierung besonders ausgeprägt war:

 

Parallelen gibt es durchaus. Auch damals befürchteten die vereinigten staatstragenden Kräfte nach dem knappen MEI-Ja im Frühjahr zuvor, bestärkt durch Befragungsresultate die eine Zitterpartie ankündigten,  dass die Initiative angenommen wer­den könnte – und auch damals setzte eine massive und flächen­deckende Nein-Kampagne ein. Dass die Initiative dann mit einem Ja-Stimmenanteil von ge­samt­schweizerisch nur 26% unerwartet drastisch verworfen wurde, war einer Demobilisierung der Befürworter (vor allem unter den Sympathisanten der SVP) und einer Mobilisierung der Gegner von links bis hin zu Anhängern der FDP zu verdanken, wie Ecopop-Absturz war (auch) mobilisierungsbedingt aber auch die VOX-Analyse nahelegten.

Die VOX zur DSI ist mittlerweile ebenfalls erschienen. Deren Verfasser erklären das Resultat u.a. mit einer starken Mobilisierung von Personen mit einem hohen Bildungsstand, welche die Vorlage ablehnten. Zwar sollen auch junge Stimmbürger mobilisiert worden sein, das Resultat  wurde - so die VOX-Autoren - dadurch aber nicht beeinflusst,  weil diese Altersgruppe sich etwa durchschnittlich verhielt.[1] Im Normalfall würde man deshalb auf Gemeindeebene erwarten, dass erstens das Resultat mit der Mobilisierung negativ zusammenhängt (was nicht zutrifft) und zweitens die Mobilisierung besonders ausgeprägt dort war, wo der Anteil der Bevölkerung mit einem hohen Bildungsstand gross ist. Auch letzteres trifft nicht zu. Zwischen der Status-Variable, welche ich in meinen Analysen zur Messung dieses Konzepts verwende und der Mobilisierung besteht nicht  der geringste Zusammenhang. Verhältnismässig deutlich ist hingegen der Zusammenhang mit der "Urbanität" - Je ländlicher desto grösser war die Beteiligungsdifferenz. Erwartet hätte man allerdings genau das Gegenteil. 

 


[1] Es ist bedauerlich, dass nach wie vor nur die Kurzzusammenfassungen der VOX online verfügbar sind. Ich weiss nicht was Erträge aus den Abonnementen  und der Einzelverkauf zur Finanzierung beitragen – Ihr Löwenanteil dürfte aber von der Bundeskanzlei stammen, was eine kostenlose Verfügbarkeit wohl rechtfertigen würde. So wäre man nicht mehr auf die schon sehr lapidaren Zusammenfassungen und die oft unpräzise Berichterstattung in der Presse angewiesen. Auch die Rohdatensätze der VOX sind für ein Jahr mit einem Embargo belegt und nicht, oder zumindest nicht neiderschwellig verfügbar. Auch hier ist zu hoffen, dass in Zukunft mit der Stabübergabe an FORS, eine Institution, die sich mit der Aufbereitung und Angebot der älteren VOX-Daten bereits grosse Verdienste erworben hat, eine offenere Politik eingeführt wird.